Im Buch Frauenplan – Denk nicht, du kommst davon … tritt die fiktive Romangestalt des Leutnants der Sowjetarmee Grigorij Denissow auf. Grigorijs Figur erinnert an die sowjetischen Soldaten und Offiziere, die nach dem Ende des 2. Weltkriegs als Besatzungsmacht auf dem Gebiet Ostdeutschlands – später der DDR – stationiert waren.
Grigorij dient im Buch in der 8. Gardearmee, die zur Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in der DDR gehörte, unter anderem in Nohra bei Weimar stationiert war und dort auch ihr Hauptquartier hatte.
Die sowjetischen Truppen waren in der Regel stark abgeschirmt von der Bevölkerung, wobei die Offiziere und ihre Familien zum Teil in Weimar wohnten und durchaus Teil des Stadtbilds waren. Die Kinder allerdings besuchten eine separate sowjetische Schule in Nohra.
Die Stationierung in der DDR sahen viele Soldaten und Offiziere als bevorzugten Dienstort an, da die Versorgung besser als die im Heimatland, der damaligen UdSSR, war. Die Bevölkerung hatte sich bald an die Kasernengelände hinter hohen Bretterzäunen und die sehr jungen Soldaten gewöhnt, die nur in Gruppen streng bewachten Ausgang hatten.
Die landläufige Bezeichnung „die Freunde“ war offiziell akzeptiert. Auch wenn von „den Russen“ die Rede war, geschah dies mit immer geringeren Ressentiments. Man hatte andere Sorgen im DDR-Alltag.
Freundschaftstreffen mit sowjetischen Komsomolzen (jeder junge Soldat war automatisch Mitglied der gleichnamigen Jugendorganisation) fanden statt, wurden aber im Lauf der Jahre restriktiver behandelt.
Auch die „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“, eine Massenorganisation, um deren nominale Mitgliedschaft man kaum herumkam, zielte nicht auf die in der DDR stationierten Truppen, sondern neben Agitation und Propaganda vor allem auf touristische, kulturelle oder sportliche Beziehungen zum Mutterland UdSSR.
Natürlich gab es deutsch-sowjetische Liebesbeziehungen und es wurden Kinder während der Besatzungszeit geboren. In der Regel wurde der Vater als sowjetischer Armeeangehöriger umgehend und oft zurück ins Heimatland versetzt und die Verbindung zu Mutter und Kind unterbunden. Eine Stigmatisierung der Kinder („Russenkinder“) fand allerdings, außer in den Nachkriegsjahren, in der DDR kaum statt. Noch heute aber suchen erwachsene Bundesbürger ihre Väter.
Eheschließungen waren prinzipiell möglich, wurden jedoch selten gestattet. Die Szene im Buch ist deshalb vor dem Hintergrund der Wirren der Wendezeit 1989/90 zu lesen.
Lenindenkmal auf dem ehemaligen Kasernengelände
in Nohra bei Weimar | Foto: Helga Dreher 2019
Im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages, der den Weg zur deutschen Wiedervereinigung ebnete, wurde der Abzug der sowjetischen Truppen bis zum 31. August 1994 vereinbart. In der größten Truppenverlegung der Militärgeschichte zu Friedenszeiten erfolgte der Abzug termingerecht und in für die sowjetischen Truppen ehrenvoller Art und Weise. Obwohl Deutschland 15 Milliarden D-Mark für die Deckung der Kosten und für die planvolle Wiedereingliederung und Unterbringung der Truppenteile in ihrer Heimat bereitstellte, gelang dies für die Soldaten an ihren neuen Standorten nicht immer. Zudem kehrten sie zurück in die ungewisse Zukunft eines zerfallenden Reichs.
Ihre Hinterlassenschaft – kontaminiertes und verwüstetes Armeegelände – ist vielerorts noch heute nicht vollständig beseitigt.
Silke Satjukow: Besatzer. „Die Russen“ in Deutschland 1945–1994. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-36380-5 (Zugleich: Jena, Universität, Dissertation, 2007).